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  • AutorenbildKatja @ coitoergosum

Let´s talk about Sex - oder: wie man Sexualität erfolgreich in die Ergotherapie-Lehre integriert

Das Jahr 2021 startete bei mir mit einem ganz besonderen Auftrag. Genau ein Jahr zuvor hatte ich auf dem Deutschen Ausbildungskongress in Osnabrück einen schlauen Vortrag über Sexualität in den Therapieberufen gehalten. Noch beim Dinner unterhielt ich mich damals mit Nicole Ilper. Sie ist Lehrende für Ergotherapie an der Alice Salomon Schule in Hannover und hatte Interesse bekundet.

Fast ein Jahr später entschlossen wir uns, endlich aufzuhören auf ein Ende von Corona zu warten, und die geplante Veranstaltung online durchzuführen. Wie das so lief, beantwortete sie mir im Interview mit Ihrer Kollegin Nadja Reeck. Viel Spaß beim Lesen!

 

Wie seid ihr auf das Thema Sexualität aufmerksam geworden?


Wir hatten uns auf dem „Interprofessionellen Ausbildungskongress“ nach der Vorstellung Deiner Bachelorarbeit unterhalten. Mit Deinen Ergebnissen hast du mir die Relevanz dieses Themas in der Ausbildung nochmal sehr verdeutlicht. (Yes, Mission accomplished ;)



Warum sollten wir in der Ergotherapie (mehr) über Sexualität sprechen?

Uns Ergotherapeut:innen ist es ein besonderes Anliegen Menschen in ihren bedeutungsvollen Betätigungen zu unterstützen bzw. wieder zu ermöglichen. Auch das Nachgehen sexueller Bedürfnisse kann eine sehr bedeutungsvolle Betätigung sein. Deshalb finden wir die Thematisierung bereits in der Ausbildung wichtig.

Was hat Euch bestärkt, dem Thema in der Lehre Raum zu geben?

Uns persönlich ist es wichtig, die Auszubildenden gut auf die reale Praxiswelt vorzubereiten, damit Sie sich als Berufseinsteiger:innen auch bei Themen um die Sexualität möglichst sicher fühlen. Dafür ist es notwendig auch über den Tellerrand, sprich die grundlegenden Themen in den Lehrbüchern, hinauszuschauen. Das Thema Sexualität ist nicht nur ein Randthema, sondern es ist in verschiedenen Fachbereichen von hoher Bedeutung, was die Relevanz für die ergotherapeutische Ausbildung bekräftigt.


Bevor wir uns unterhielten gab es keinen extra Lehrveranstaltung dazu, oder?

Nein, bisher war das Thema Sexualität kein Thema im Unterricht. Klar, es wurde vielleicht mal am Rande erwähnt, dass bestimmte Krankheitsbilder (z.B. Querschnittlähmung) sich auf die Sexualität auswirken, aber es wurde dann auch nicht tiefergehend thematisiert und stand dann einfach im Raum. Es ist für uns Lehrkräfte z. T. auch eine Herausforderung über das Thema ins Gespräch zu kommen, da es gesellschaftlich doch noch ein Tabuthema ist und weiteres Fachwissen angeeignet werden muss. Bisher hat vielleicht auch einfach der Anstoß gefehlt, sich damit mehr auseinanderzusetzen und es tatsächlich im Unterricht zu vertiefen.

Aus meinem eigenen Studium weiß ich noch, dass es schon eine hohe Kunst ist, allen Themen ihren nötigen Raum zu geben. Wie habt Ihr Eure Kolleg:innen davon überzeugt, einen ganzen Projekttag dazu anzubieten?


Ja, da stimmen wir dir voll und ganz zu! Es ist und bleibt eine hohe Kunst, das richtige Maß an Themen in der Ausbildung zu finden. Wir haben das Thema und die Möglichkeit eines Lehrangebots mit dem Blick auf die langfristige, modulübergreifende Integration im Team vorgestellt. Hier hat insbesondere die inhaltliche Verknüpfung mit den Therapiemöglichkeiten zu den neurologischen und orthopädischen Krankheitsbildern zur Realisierbarkeit beigetragen. Dies hat uns die Möglichkeit gegeben für den Projekttag Unterrichtszeiten aus den Lehrveranstaltung der neurologischen und orthopädischen Handlungsfelder der Ergotherapie zu nutzen. Auf diesem Wege konnten wir einen ganzen Projekttag ermöglichen und jede Lehrkraft musste nur einen Teil der regulären Unterrichtsstunden dafür abgeben.

Wie haben die Schüler:innen das Thema im Vornherein aufgenommen?

Sie waren sehr gespannt darauf was sie erwartet.

Und wie war das Feedback dann nach dem Projekttag?

Das Feedback war sehr positiv. Die Schüler:innen fanden es ebenfalls ein sehr wichtiges Thema und konnten viel von der Veranstaltung mitnehmen. Des Weiteren waren Sie begeistert von deinem umfangreichen Fachwissen in diesem Gebiet.


Wie genau geht ihr nun mit diesem Feedback um? Wird es weitere Projekttage geben? Wird das Thema fester Bestandteil in der Lehre oder bleibt es beim Versuch? Ich bin gespannt!

Durch deine tollen Unterlagen und deine Unterstützung über Beratungsgespräche, streben wir an, das Thema Sexualität als bedeutungsvolle Betätigung mit zu den Krankheitsbildern modulübergreifend zu integrieren. Hier ist es uns wichtig, dass es mitgedacht wird.

Des Weiteren besteht die Möglichkeiten, es in der Lehrveranstaltung „Kommunikation“ verstärkt mit zu integrieren, denn eine erste Hürde sich mit dem Thema vertieft auseinanderzusetzen ist das Sprechen darüber, was gelernt werden muss.


Was würdet ihr anderen Schulen oder Hochschulen empfehlen, um dem Thema mehr Raum zu geben?

Da es sich um ein sehr großes und auch für die meisten eher ein neues Thema handelt, ist es durchaus sehr hilfreich sich Unterstützung von Expert:innen zu holen – wie von dir ;-)

Wenn diese Möglichkeit natürlich nicht besteht, sollte man erstmal Schritt für Schritt vorgehen und sich vielleicht erst einen konkreten Ansatzpunkt überlegen, wozu man recherchiert. Beispielsweise könnte man sich zunächst ein spezifisches Krankheitsbild aussuchen und dazu mit den Schüler:innen sprechen und es einfach ganz mutig ausprobieren. Wir denken, dass die Hemmschwelle auch nur am Anfang besteht und wenn man erstmal ins Gespräch kommt entspannt es sich vermutlich auch. Dass die Schüler:innen insgesamt offen für diese Thematik sind, hat sich ja bei uns zumindest gezeigt, weshalb die Ängste manchmal vielleicht auch völlig unbegründet sind.


Vielen Dank für das ausführliche Interview mit Nadja Reeck und Nicole Ilper aus Hannover.


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